Bundesliga-Fan-Serie
User-Meinung Hertha BSC: Mit 22% zum Klassenerhalt, gefühlt schon abgestiegen
©TM/IMAGO
Das Transferfenster ist geschlossen und die Kader in den drei deutschen Profiligen stehen. Das nimmt Transfermarkt zum Anlass, einen detaillierten Blick auf die 56 Teams in Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga zu werfen: Wer hat sich wie verstärkt oder geschwächt? Auf welche Spieler freuen sich die Fans am meisten und wen werden sie vermissen – und was ist mit dem Kader 2021/22 letztlich drin? Dafür haben wir uns in den TM-Foren umgehört: In den kommenden Tagen schätzen die Fans ihre Klubs ein. Den Anfang in der Bundesliga machen User „PES“ und Hertha BSC.
In einem furiosen Transferfinale wurden jegliche Elemente der Gefühlswelt einer (Berliner) Fanseele deutlich: Hoffnung, Angst, Panik, Entsetzen und am Ende Gleichgültigkeit. Und um es deutlich zu sagen, furios ist eine freundlich gewählte Begrifflichkeit, um das zu beschreiben, was am letzten Tag der Transferperiode geschehen ist. Vielleicht wären „dilettantisch“, „fragwürdig“ oder „unbefriedigend“ aktuell eher Begriffe, die der Mehrheit der Herthaner bei der Beurteilung des Transferschlusses einfallen würden.
Tatsächlich fällt es schwer, den aktuellen (erneuten) Umbruch bei Hertha auszuhalten, nachdem man in den vergangenen Jahren schon sehr viel leiden musste. Sei es durch eine katastrophale Außendarstellung, die sich (bei allem Respekt) vergleichsweise kaum vor dem HSV oder den Schalkern verstecken muss oder durch das sportliche Tal, denn an wirklich positive Momente, muss man leider sehr lange zurückdenken.
Hertha-Transferübersicht
Alle Zu- und Abgänge der Berliner inklusive Ablösen
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Die Hoffnung auf eine strukturierte Transferphase unter neuer Führung von Fredi Bobic war wohl allgemein sehr groß, nachdem in der sportlichen Leitung und in der Vereinsstruktur in den letzten Jahren Unmengen Fehler produziert wurden, die auf dem Rasen für jeden Zuschauer offensichtlich wurden. Etwa fehlende Leistungskultur auf und neben dem Platz, keine Mannschaftshierarchie, taktische Mängel, ausbleibende Konstanz auf der Trainerposition.
Cunha und Lukebakio: Mehr oder weniger schmerzhafte Abgänge bei Hertha BSC
Die offenen Baustellen im Verein scheinen so groß, dass diese Transferphase es gefühlt noch schlimmer gemacht hat. Im Nachhinein wurden egoistischere Spielertypen wie z.B. Matheus Cunha (22) oder Dodi Lukébakio (23) aussortiert, die allerdings auch für die wenigen künstlerischen Momente sorgten und im Endeffekt auch für Tore und Vorlagen. Cunha ist ein unendlich talentierter Spieler, der tatsächlich in einzelnen Momenten Erinnerungen an die Vereinslegende Marcelinho Paraíba erwecken konnte. Vom sonstigen Verhalten auf dem Platz wird die Lücke allerdings überschaubar sein. Gleiches gilt für Lukébakio, der aber rein schematisch nie so eingebaut wurde, um seine Stärken voll ausspielen zu können.
Auf Serdar und Ekkelenkamp freue ich mich bei Hertha BSC
Freude machen könnten die Neuzugänge um Suat Serdar (24) und Jurgen Ekkelenkamp (21), allerdings benötigen gerade diese Spieler mit ihrem Talent eine stabile Umgebung, um sich entwickeln zu können. Der große Druck kann dabei sehr schnell zu einer Hemmnis werden.
Wie schneidet Hertha BSC ab? Schalker Absturz näher als sicheres Mittelfeld
Hertha soll nun also als neue Marschroute über die Mentalität Punkte sammeln – eigentlich etwas, das eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Denn Niederlagen sind auch für das Berliner Publikum in Ordnung, wenn denn alles versucht wurde, um den Erfolg zu erzwingen, sprich Einsatz und Leidenschaft. Allerdings stimmte diese bisher nur in Ansätzen während der überaus kritischen Phase in der Vorsaison mit einigen Coronafällen in der Mannschaft und einem engen Spielplan. Eine Einheit schien entstanden zu sein, der Slogan „gemeinsam Hertha“ nahm die Fans mit und ein gefühlt schon abgestiegenes Team konnte sich mit erstaunlicher Robustheit knapp retten.
Mit Sicherheit ein großer Verdienst von Trainer Pál Dárdai, der sich aber nun mit den Zielen des Vereins nicht mehr wirklich zu identifizieren scheint. Nach dem beängstigenden Saisonstart und seinen selbstzerstörerischen Aussagen wirkt der ganze Verein derzeit wie ein taumelndes Konstrukt, das schon länger wankt, aber nur noch wenig Belastung braucht, um komplett einzustürzen. Die (vielen) Wunden der letzten Jahre sind offensichtlich noch nicht verheilt und diese Transferperiode hat auch gezeigt, dass die Schwachstellen kaum oder gar nicht angegangen wurden. Seit Jahren ist bei Hertha die Situation auf den Flügelpositionen nicht gelöst worden, genauso bei den Außenverteidigern.
Taktische Unsicherheit merkt man, wodurch der Mannschaft jegliche Dynamik fehlt, um gemeinschaftlich als Team zu agieren. Mentalität kann Qualität durchaus schlagen, aber auch dann müssen alle Einzelteile im Gesamtkonstrukt funktionieren. Der Kader besitzt spannende Einzelspieler, die aber in einem Gesamtgefüge zusammen funktionieren müssen. Eine Struktur ist aber nicht erkennbar, Führungsspieler kaum vorhanden oder offensichtlich überfordert. Die Baustellen scheinen so vielfältig, dass man nur hoffen kann, auch diese Saison ohne Abstieg zu überstehen.
Natürlich hat Fredi Bobic Zeit verdient und bewerten kann man sportliche Entwicklungen erst im Nachhinein. Aber die Tendenz ist erschreckend. Es wäre einfach schön, auch mal wieder positive Schlagzeilen zu schreiben. Der Saisonstart scheint aber die Realität sehr genau abgebildet zu haben. Unruhe im Umfeld, strukturelle Neuausrichtungen und eine instabile Trainerposition machen nicht gerade Mut. Der Schalker Absturz der letzten Saison ist gefühlt näher, als eine ruhige Saison im Mittelfeld.
Von TM-User Tobias Blaseio (PES)
Die weiteren User-Meinungen:
1. FC Köln von Klattius
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